Mittwoch, 22. April 2009

Distanz

Derzeit tobt in Berlin die Quo Vadis 2009, eine Konferenz für Spiele-Entwickler, hauptsächlich deutsche Spiele-Entwickler. Nun, prinzipiell ist dagegen natürlich nichts einzuwenden, auch habe ich konkret und persönlich nichts dagegen einzuwenden. Warum auch ...

Sicher, die Jungens von Winseltek spucken wieder große Töne und auf der Referentenliste findet sich so manche Hackfresse, deren einzige Kompetenz im HeisseLuft-Verkaufen besteht, aber hey ... im Grunde geht mir das am Allerwertesten vorbei. Das ist ja nur Bauchbepinseln und Eigenlobabstinken für die Szene und daher normal. Nein, Aufregen is nich. Abgesehen davon, dass ich das Denken und Handeln dieser Arschkrampen eh nicht verändern kann und ich mir durch unsinniges Aufregen doch nur selber schade.

Mir ist, nachdem ich über den Vortrag der Herren Schmitz und Grindel von Bluebyte/Ubisoft zum Thema "Teamgröße" gelesen hatte, nur aufgefallen, wie weit ich mich mittlerweile von dieser Industrie entfernt habe. Sowohl als ehemals dort Beschäftigter als auch als Zocker, Gamer und Spieler.

Ich kann die Überlegungen und Erkenntnisse, welche die beiden Herren hier präsentieren, sehr wohl nachvollziehen, da kommerzielle und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen keine anderen Schlüsse zulassen. Der Unterschied zwischen deutscher und angelsächsischer Arbeitsethik ist mir auch nichts neues und wohlbekannt. Ich kann rein objektiv diesem Vortrag und den Vortragenden nur wohlwollend und zustimmend zunicken. Ich würde es an deren Stelle nicht viel anders machen, weil einem keine andere Wahl bleibt, wenn man mit Computerspielen gigantische Geschäfte machen möchte. Der Markt diktiert die Bedingungen und man hat sich an diese Bedingungen anzupassen, wenn man viel Geld verdienen möchte.

Es ist nur so ... im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, wie hohl die Industrie als solche ist, wie sehr man den eigenen Verstand ausblenden muss, um Projekte soweit "herunterzudimmen", damit sie auf dem Reissbrett der Ingenieure die größtmöglichen Marktchancen haben. Kreativität wird kanalisiert, eingezwängt und darf nur noch in homöophatischen Dosen stattfinden, da, leider zu Recht, zuviel Kreativität Otto-Normal-Zocker ver- und abschreckt. Dementsprechend hohl und langweilig sind mir dann auch die Spiele, die am Ende dieser Produktionskette stehen. Glattgebügelte, Zielgruppen- und Feature-optimierte 08/15-Produkte für den Massenmarkt. Wer in solche Produkte noch Herzblut und Engagement stecken kann, ohne langfristig daran seelisch krank zu werden, ist entweder noch sehr jung oder erhält entsprechendes Schmerzensgeld aka Gehalt, damit man es nicht mehr so spürt, wenn es weh tut.

Und diese Produkte finden natürlich großen Anklang, da sie zT. perfekt auf Leute zielen, die in Spielen wirklich nur anspruchslose Freizeitunterhaltung sehen, die nur abgelenkt werden wollen. Diesen Leuten ist es egal, unter welchen Arbeitsbedingungen diese Spiele entstehen, wie hier Jahrgang auf Jahrgang hoffnungsvolle Nachwuchs-Entwickler/Mitarbeiter/Künstler verbrannt und desillusioniert wieder ausgespuckt werden. Diesen Leuten ist es auch egal, wenn sie Stück um Stück entrechtet werden, weil sie vor lauter Rammbammbumm nicht merken, dass sie für "Games as a service" immer mehr Geld ausgeben, ohne dafür entsprechende Gegenleistung zu bekommen. Weil es doch nur harmlose Freizeitunterhaltung ist und man als OttoNormal-Zocker in der Regel keine Chance hat, die Mechanismen von Werbung und Marketing zu durchschauen, man jedes Mal auf's Neue in die Falle tappt, ohne zu merken, dass es überhaupt eine Falle ist.

Wer es in der Industrie zu etwas bringen möchte, der muss genau diese Leute bedienen können, der muss jegliches eigenes Qualitätsempfinden ausschalten. Man darf Anerkennung nicht in der Qualität der Arbeit, sondern muss sie einzig und alleine im anschliessenden kommerziellen Erfolg finden. Wenn der größte Billigdreck gut läuft, darf man sich stolz auf die Schulter klopfen. Wenn ein anspruchsvolles Projekt an der Kasse tankt, bekommt man nur Häme und "Ich hab's doch gleich gesagt" zu hören. Hinzu kommen noch enge Entwicklungszeiträume, ständig wechselnde Zielvorgaben, um auch ja nur keinen Trend zu verpassen, sowie daraus resultierend haufenweise Crunchtime und eine auch in Deutschland immer mehr zunehmende Reduktion des Mitarbeiters auf den quasi rechtlosen Status einer Human Ressource, die man nach Belieben durch die Gegend schiebt oder wegwirft, wenn ihre Nützlichkeit erschöpft ist.

Wer sich immer noch fragt, warum einem die üblichen Chart-Titel und Triple-A-Produktionen immer weniger Spass machen, der muss sich angesichts solcher Arbeits- und Marktbedingungen nicht wundern. Hier KANN nichts entstehen, was ich und andere alte Säcke immer mehr suchen, weil sie es im aktuellen Angebot nicht finden. Wir sind nicht mehr relevant, weil unsere Kaufkraft angesichts der für Chart-Titel notwendigen Produktionskosten zu gering ist. Wir spielen für diese Industrie keine Rolle mehr.

Ist das jetzt schlimm? Muss ich mir nun die Augen ausheulen und Trauer tragen, weil man meinen persönlichen Geschmack nicht genügend berücksichtigt?

Nö, es ist doch nur ein Hobby. Ein reines Luxushobby, welches man sich leistet, weil man es sich leisten möchte. Wenn mir die Entwicklung in der Spielebranche zu lange auf der Stelle tritt, wenn ich irgendwann die Schnauze endgültig vollhabe, konzentriere ich mich eben wieder auf die Interessengebiete, die ich auf Grund dieses lächerlich kurzen 24h-Tages nicht genügend verfolgen konnte. Wirklich, ich brauche keine Spiele um jeden Preis.

Hmm, halt, das sollte ich präzisieren: Ich brauche nicht neue (!) Spiele um jeden Preis :)

PS: Abgesehen davon, dass ich mich vor Lachen kaum einkriege, weil der "Landwirtschafts-Simulator 2009" seit einigen Wochen an der Spitze der deutschen PC-Charts steht. Ich kann mir jetzt schon bildlich vorstellen, wie Producer und Marketing-Strategen landauf, landab ihre derzeit in Entwicklung befindlichen Projekten auf diesen neuen Trend hin anpassen *kicher*