Dienstag, 22. April 2008

Flamewar-Brennstoff

Eines meiner ersten Postings auf diesem Blog beschäftigte sich mit dem immerwährenden Kleinkrieg zwischen Kleingeistern, die ihr ganzes Ehrgefühl und ihren Stolz vom Wohl und Wehe einer simplen Anhäufung von Plastik und Elektronik abhängig machen. Und zwar natürlich einer ganz bestimmen Anhäufung von Plastik und Elektronik, wie denn auch sonst! Folgt der Sandale! Halleluja! Verbrennt die Ketzer!

In den letzten zwei Jahren sah es für die einen Plastik/Elektronikhaufen-Anbeter nicht mehr so gut aus. Es wurde immer deutlicher, dass ihr eigener Heiliger Haufen, auch PC genannt, in der Beliebtheit von Käufern und Herstellern bez. Computerspiele immer mehr ins Hintertreffen geriet. Jahr um Jahr stiegen die Umsätze mit Hardware und Spielen dieser Ketzer-Plattformen von MS, Sony und Nintendo, während die Umsätze mit PC-Spielen stetig sanken, obwohl dieser Haufen weltweit die mit Abstand am weitesten verbeitete Hardware-Plattform in privaten Haushalten ist. Laut Industrie waren daran Schuld natürlich die phösen Zwischennetz-Piraten mit ihren Datentausch-Netzwerken. Laut Kundschaft war die Industrie Schuld, die mit verbuggten Releases und ständig steigenden Hardware-Anforderungen die Kauf- und Konsumlust vertrieb.

Erfreut über den Niedergang der PC-Ketzerlehre waren nur die Konsolero-Jünger konkurrierender Heiliger Haufen, die ihre Avatare in Foren und Chats stolz mit Signaturen und entsprechenden Siegesabzeichen schmückten. "Der PC ist tot!", jubelten sie. "Der PC stirbt!", klagte die in gemeinsamer Trauer versammelte PC-Gemeinde.

Doch ist dem wirklich so? Immer wieder in den letzten Jahren kamen Zweifel an den offiziellen Zahlen der Branchenverbände auf. Immer wieder wurde von PC-Spielern angemerkt, dass sie seit zwei Jahren nur noch zB. "World of Warcraft" auf ihrem PC spielen würden und somit gar keine Zeit für andere Titel hätten. Immer wieder wurde auch in zT. erhitzt geführten Diskussionen gefragt, ob denn in diesen offiziellen Zahlen die Umsätze enthalten sind, die mit Vertriebsplattformen wie Steam oder Casual-Games-Anbietern erzielt werden? Speziell in Deutschland wurde von Presse- und Industrievertretern der hiesige Boom der Browser-Spiele nahezu vollständig ignoriert. Der hier schreibende alte Sack hat zwischen 2004 und 2006 ab und Geld für Browser-Spiele wie zB. "Freewar" ausgegeben. Und er hat sich bei Reflexive diese köstliche Breakout-Variante "Richochet" und Nachfolger besorgt. Der alte Sack ist sicher, dass er NICHT der einzige war, der seine Kaufkraft mittlerweile in Kanäle gesteckt hat, die nicht von der offiziellen Umsatzzählung erfasst wird.

Mittlerweile hat sich diese Vermutung als Tatsache herauskristallisiert und diese Diskrepanz zwischen unberücksichtigter Realität und offiziellen Statistiken ist nun auch in der Industrie angekommen. Nun, sagen wir besser, teilweise angekommen. Zu sehr hat man dort immer noch Scheuklappen auf und steckt immer noch zu sehr in den Neunzigern, als man Spiele gefälligst brav im Laden gekauft hat (und die phösen Piraten schon damals Schuld an allem waren).

Und siehe da, die einst so betrübt aus der Wäsche schauenden PC-Anhänger können wieder aufatmen. Die Nacht wird doch nicht kommen. Der Fall des eigenen Götzen wurde noch einmal aufgeschoben. Wer also Brennstoff für seinen eigenen, privaten Flamewar sucht oder sich immer noch der Illusion hingibt, in Foren-Diskussionen mit Fakten und Tatsachen mäßigend auf die hysterischen Fanboys aller Lager einwirken zu können, der mag sich bitte diesen Artikel (und bald seine Fortsetzung) bei Golem antun und bei Bedarf im Forum mitzündeln :)

Während der alte Sack hier seine eigenen Vorurteile pflegt und abwartet, wann er der ignoraten, lernunwilligen und paranoiden Industrie wieder eins reindrücken kann ... denn das ist mein eigener, privater Flamewar!