Mittwoch, 28. November 2007

Wider den Kleingeist!

Nein, das wird jetzt kein polemisches Pamphlet wider eine ganz bestimmte Geisteshaltung oder Weltsicht. Da wir uns hier immer noch auf "Senior Gamer" befinden und ich prägnante und wohlfeil formulierte Traktate zu dieser unserer Gesellschaft lieber denen überlasse, die solche Texte auch schreiben können, handeln die folgenden Absätzen vom Kleingeist, den ich vor allem bei der Levelgestaltung etlicher Ego-Shooter antreffe.

Wir erinnern uns an Wolfenstein. Einfache Innenräume, lange Korridore, noch mehr simpel gestrickte Räume. Mehr war schon alleine auf Grund der zur Verfügung stehenden Prozessorpower nicht drin.

Wir erinnern uns an Doom. Im Grunde noch immer lediglich eine Anreihung von Innenräumen, die jedoch Dank der neuen 2.5D-Engine mit Höhenstufen aufwarten und Dank etwas leistungsfähigerer Rechner auch mehr Sektoren und Polygone darstellen konnte, so dass abwechlungsreichere Räume pro Level möglich waren.

Wir erinnern uns an Quake. Oder an den Duke. Oder an Quake 2. Selbst das zweite Erdbeben bestand aus ... Korridoren und Räumen. Zwar diesmal hübsch bunt beleuchtet und hardware-beschleunigt, aber eben immer noch kleinräumiges Gezuppel.

Dann jedoch, dann kam Unreal! Und ENDLICH konnte man in einem 3D-Shooter nicht nur weiter sehen, als man Granaten werfen konnte, sondern man konnte mit dem Zoom einen weit entfernen Ort der Map betrachten, den man einige Minuten und Gefechte später auch OHNE Ladepausen, in einem Rutsch, betreten konnte. Wer erinnert sich nicht mit Staunen an Sunspire. Oder an das Nali-Kloster. Gigantisch groß und man konnte überall hingehen. Die Weite war kein optischer Trick. Sie war "echt"! Und Dank der Detailfreude der Designer, die stets darauf achteten, dass ein Map-Ende optisch mit dem nächsten Map-Anfang verbunden war, hatte man das Gefühl, sich nahtlos auf einer fremden Welt zu bewegen und nicht nur in irgendwelche künstliche, ohne Bezug zueinander stehende Arenen geworfen zu werden. Unreal war der erste Shooter, der mir als Spieler eine glaubhafte und "natürlich" wirkende Welt präsentieren konnte, in der ich als Spieler nicht in virtuelle Atemnot geriet. PLATZ!!! R A U M !!! Sogar die Innenräume waren großzügig angelegt.

Nun, danach verlieh Serious Sam dem Satz "Das ist aber mal eine große Map" eine ganz neue Bedeutung. Groß war da kein Ausdruck. Lichtjahreweite Ebenen und Täler, die vor Jahrzehntausenden die Mutter aller Gletscher ausgewaschen haben musste. Wow!

Ich könnte hier noch seitenweise Beispiele (Operation Flashpoint, Halo, FarCry) bringen, doch kommen wir zum Punkt. Worauf will ich hinaus? Will ich nur einen schönen Anblick haben?

Nein, ich will beim Spielen meinen Großgrundbesitzerträumen nachgehen und meiner Maus sagen können: "Siehst Du, Schatz? Das da alles gehört mir. Von dieser Baracke und den paar Leichen da hinten, über den Fluß bis hinten zu der Hügelkette, wo gerade der Gegner mit Hubschraubern Verstärkung absetzt. Jepp, das kleine Wäldchen da rechts gehört mir auch. Und ja, auch die kleine Ortschaft da drüben.". Und dann will ich meine Maus an der Hand nehmen und mit ihr überall dorthin gehen können, wohin mein Auge blickt. Und ich will auch dort etwas zu entdecken haben, damit ich den weiten Weg nicht vergebens gemacht habe. STALKER würde mir zB. gut gefallen, wenn ich denn eines Tages die Muße finde, mich mit dem Spiel zu beschäftigen.

Ich will aber nicht zum x-ten Male zwischen Containern und Lagerhallen und Büroräumen herumschleichen müssen. Ich hasse es mittlerweile, wenn der Gamedesigner jeden Raum mit irgendwelchem Müll zustellt, weil das angeblich so realistisch ist. Das einzige "Realistische" ist dann aber nur mein dicker Hals, wenn ich ständig an irgendwelchen Ecken und Tischen und Kartons hängenbleibe und einfach keinen Platz habe, um mich vernünftig zu bewegen. Ich bekomme da allen Ernstes virtuelle Platzangst und FEARchte mich davor, auch nur einen Schritt weiter in das nächste Büro zu machen, welches sich in keinsterweise von den 500 Millionen anderen Büros unterscheiden wird, die ich bereits betreten habe. Stupider, langweiliger Drecksmüll!

Ein weiterer Punkt, den ich an engen, kleinen Maps nicht mag, sind die Einfälle mancher Gamedesigner, mir eine Gruppe von Mitstreitern zur Verfügung zu stellen, die ich aber nicht vernünftig kontrollieren kann. Paradebeispiel hierfür ist Half-Life 2, welches so ab Nova Prospekt Wutschreie und Tobsuchtsanfälle ausgelöst hat, weil die Jungs, Mädels und Antlions mir ständig den Weg versperrten, während ich versucht habe vor der gerade auf mich zutorkelnden Granate wegzulaufen: "Hngghhhh, bewegt Euch end..." BOOM!

Was habe ich da, trotz irgendwann eingeschaltetem Godmode, nur geflucht. Ich habe nichts gegen Mitstreiter in Ego-Shootern. Nur soll man sie (wenn man keine Lust oder Zeit hat eine funktionierende KI zu erstellen) doch bitte schön nur in Maps einsetzen, die ... eben so richtig groß und weitläufig sind. Bzw. mein anderes Lieblings-Reizthema, sollte man mir wenigstens eine vernünftige Kontrolle über meine Mitstreiter geben. Sprich, wenn schon Bot-Geballer in engen Räumen und verwinkelten Ecken, dann hätte ich auch gerne die Gameplay-Mechaniken eines Ravenshield, eines Taktik-Shooters, in dem ICH und nur ICH ALLEINE entscheide, wo was wann stattfindet!

Dabei zeigt gerade Half-Life 2 in der ersten Spielhälfte so wunderbar, wie man GROSSE Level basteln kann, die wirklich so etwas wie Spielfluß erzeugen. Die Kanalabschnitte, der Highway. Wunderschön aufgebauter Wechsel aus langen Fahrtpassagen, knackigen Kurzgefechten und Abschnitten, wo man einfach mal Pause machen konnte, um die Landschaft (!) zu betrachten und am Horizont die Häusersilhouetten erspähte, die vor einer Weile noch Levelbestandteil waren. Ganz große Klasse!

Und über den Unterschied zwischen den weitläufigen Maps eines Deus Ex 1 und dem winzigen Polygondreck eines konsolenkastrierten Deus Ex 2 habe ich mich bereits schonmal ausgelassen.

Ok, ich bin zum Schluss doch ein wenig polemisch geworden. Ich kann aber diese Winzlevel, diese immer gleichen Räume und Korridore und das ständige AnEckenHängenBleiben nicht mehr ertragen. Ich will es nicht mehr ertragen. Faxen dick und Schnauze voll!

Think BIG, dammich!