Freitag, 16. November 2007

Schaffe, schaffe, Häusle baue

Wie ich vielleicht hier und da bereits erwähnt habe, sind so ca. 50% meines genetischen Baumaterials von urschwäbischer Erde und Luft durchdrungen. Daher ist es auch kein Wunder, wenn ich gerne die eine oder andere Stunde mit diversen Aufbauspielen verbringe, um den Ruf des Blutes nach "Schaffe, schaffe, Häusle baue!" zu befriedigen. Ich errichte bei "Die Siedler" geduldig und fleissig in aller Ruhe komplexe Wirtschaftskreisläufe und optimiere mein Strassennetz. In "SimCity" führe ich meine Stadt von den Anfängen eines kleinen Dorfes über all die Jahrzehnte hin zu einer gigantischen Metropolis. Das ist fein. Das ist toll!

Vor allem mit SimCity verbinden mich so einige sehr schöne Momente. Nicht nur, weil es einfach ein schönes Spiel ist. Nein, vor allem, weil es das erste Spiel auf der DOSe war, das mich so richtig gefressen hatte. Denn mein damaliger Zimmernachbar im Studentenwohnheim hatte da so einen irren 286er stehen. Mordsteil mit einem Gehäuse, in das man heute min. drei Dualcore-Prozzis samt Kühlung packen könnte. Und er hatte SimCity auf der Festplatte. SimCity, welches zu diesem Zeitpunkt gerade wie eine Bombe in der noch sehr überschaubaren Menge der Computerspieler einschlug und selbstverständlich in millionenfacher Anzahl als Kopie über das Uni-Gelände geisterte. Ein kleiner Hype, der nur später von "Lemmings" in den Schatten gestellt wurde. Hach, glückliche Zeiten, als man eben nur max. eine Handvoll Spiele kannte ... ;)

Doch zurück zu SimCity. Wie es der Zufall wollte, lernte mein Zimmernachbar justament zu diesem Zeitpunkt seine Freundin und spätere Frau kennen. Da war es selbstverständlich aus mit den ewig langen Zocknächten mit zwei Kästen Bier und einer Gruppe von bleichen, augenringigen Nerds vor einem flimmernden, winzigen 14Zoll-Monitor. Für ihn zumindest. Wir anderen haben, nachdem er ja anderweitig beschäftigt war, gerne seinen Zimmerschlüssel ausgeliehen, um in seiner Abwesenheit die wertvolle Hardware zu schützen und zu bewachen. Man weiß ja nie in diesen komischen Wohnheimen, wer da so wohnt und durch die Gegend schleicht ...


© Mobygames

Oh, das war so toll. SimCity als Koop, als Multiplayer-Spiel. Vier Leute, die wild über die richtige Strategie diskutieren, in welchem Abstand Wohngebiete zu Industrieflächen liegen sollen. Wann ist ein Hafen oder ein Flughafen erforderlich? Soll man zuerst gleich ein Kernkraftwerk bauen oder doch lieber mehrere kleine und billigere Kohlekraftwerke? Wie nützlich sind Parkflächen? Optisches Gimmick oder sinnvolle Bereicherung der Wohngebiete? Wohlgemerkt, wir hatten ja alle keine Handbuch dafür. Playing by doing. Und dann haben wir Weltstädte nachgebaut. Bzw. anhand der Zufallskarte geschaut, was für eine Art Stadt daraus werden könnte. Nix Editor. Reine Vorstellungskraft.

Das Wohnheim war Vergangenheit, doch SimCity ging weiter mit dem zweiten Teil. Diesmal saß ich ganz alleine *schnüff* vor dem Bildschirm mittlerweile meines eigenen Rechners *yay* und erfreute mich an der feinen Iso-Perspektive und so netten Erweiterungen wie freie Bauflächen, Höhenunterschiede, U-Bahn und Kanalisationsnetz. Und wieder war es eine Freude meine Stadt von beschaulichen Anfängen zu einer Megacity voller Metroplexe und Highways zu begleiten. Und dank des Editors konnte ich endlich Weltstädte gezielt nachstellen oder mir einen gigantischen Wasserfall bauen, um die ekligen Kohlekraftwerke vermeiden zu können. Auch das war wieder ganz große Klasse.



Man stelle sich daher meine große Enttäuschung vor, als ich nach einigen Tagen Spielens von SimCity 3000 das Spiel des-illusioniert und fast schon wütend wieder von der Festplatte geschmissen habe. Waren die ersten beiden Titel noch Spiele, so artete der dritte Teil zT. in richtige Arbeit aus. Neben all den üblichen Aufgaben musste hier zusätzlich zB. Müllbeseitigung berücksichtig, detailliert die komplette Infrastruktur unterhalten und Verhandlungen mit Nachbarstädten geführt werden, ohne die ein blühendes Stadtwesen kaum möglich war. An ein entspanntes VorSichHinBauenUndOptimieren war da nicht mehr zu denken.



Ganz schlimm wurde es dann mit SimCity 4. Was beim dritten Teil weniger mit Spiel, als schon eher mit ernsthafter Simulation zu tun hatte, geriet hier zu einem Komplexitätsmonster, das nun überhaupt kein Spiel mehr war. SimCity 4 betrachte zumindest ich als Lernsoftware für angehende Beschäftigte im höheren öffentlichen Dienst. Mit einem Spiel, für das ich Geld ausgeben, um damit in meiner Freizeit einige vergnügliche Stunden zu erleben, hatte das nichts mehr zu tun. Schrecklich!

Und nun, der eigentliche Anlass, warum ich dieses Posting schreibe, ist SimCity Societies erschienen. Pünktlich zum Release ist das Teil im Netz aufgetaucht, während eine offizielle Demo immer noch nicht in Sicht ist. Na gut, nehmen wir die Kopie.

Ja, es sieht nett aus. Ja, es ist wieder alles im typischen Sims-Look gehalten. Nein, Spass macht es nicht. SimCity Societies ist nichts weiter als ein typisches Melk-Produkt, mit dem man die Sims-Zielgruppe, die nach dem Kaufen des x-ten Sims-Addons immer noch Geld übrig hat, noch mehr abschröpfen möchte. Das Spiel "The Sims" gibt mir zwar nicht viel, aber ich kann selbst beim zweiten Teil erkennen, warum es so beliebt ist. Es HAT WAS! Dieses Gezumsel hingegen hat goar überhaupt nix. Es ist langweilig. Es ist öde. Ich klicke mir irgendwelche Strassenzüge zusammen, um angeblich die Gesellschaft meiner Wahl zu errichten und habe im Grunde nur unterschiedliche Graphik-Sets. Das Spiel als solches bleibt identisch, ob ich nun eine HappyHippo-Spassgesellschaft oder eine finsterne Autokratie errichte.

... rant on ...


SimCity Societies ist das, was ich heute an Spielen so sehr verachte. Ein seelenloses, zielgruppen-optimiertes und glattgebügeltes Softwaredingens, welches sich an Peergroup-Analysen und Umsatzprognosen orientiert und nicht daran, ob das Teil überhaupt Spass macht. Hauptsache, man kann die ersten drei Wochen nach dem Release kräftig absahnen.

Bähhh, es ist eine Schande, was heute aus diesem einst so schönen Spiel geworden ist. Es hat schon seinen Grund, warum immer mehr einflussreiche und nahmhafte Gamedesigner seit Jahren nicht Fortsetzungen per se, sondern in erster Linie diese Fortsetzungsflut kritisieren. Das gibt zwar sichere Kohle und einigermaßen planbaren Umsatz für die Investoren, aber langfristig tötet man dadurch sein eigenes Produkt. Spiele sind, wie Musik und Filme, ein höchst emotionales und kreatives Werk, das man eben NICHT einfach so am Fließband entwerfen kann. Ein Blick rüber zur Musikindustrie sollte eigentlich reichen, um zu sehen, was passiert, wenn man es hier zu sehr übertreibt. Die Umsatzrückgänge hier sind größtenteils dem Einstampfen und Schliessen der hauseigenen R&D (Research & Developement) in den 90ern zu verdanken, als man die Umsätze betriebswirtschaftlich optimierte und glaubte, auf das langwierige und durchaus riskante Heranziehen talentierter Nachwuchskünstler verzichten zu können.

SimCity Societies ist ein typisches Casting-Spiel. Wie all die anderen fünf Miliarden Hupfdohlen-Pseudo-Künstler, welche sich seit Ende der 90er um das Taschengeld der Jugend prügeln. Gut genug, um einigen Leuten ein paar Euro aus der Tasche zu leiern, aber nach nur einem Jahr ruckzuck wieder vergessen.

... rant off ...