Mittwoch, 9. Januar 2008

Eine (fast) ehrlich gemeinte Runde Mitleid

Bei 4players wird in einer News erneut auf das Spannungsfeld zwischen Presse und Publisher hingewiesen. Erneut wird von Sanktionsmaßnahmen der Publisher berichtet, die damit auf zu kritische Berichterstattung über ihre Spiele reagieren. Bevor hier jedoch das traditionelle Publisher-Bashing betrieben wird, möchte die derzeitige Situation einmal von Publisherseite betrachten. WARUM reagiert man dort mittlerweile so hypernervös?

Man investiert Abermillionen Dollar in einen neuen Titel (bei Crysis spricht man zB. von 30-40 Mio. Dollar).

Man weiß, dass in der Regel von zehn releasten Spielen acht floppen und die restlichen zwei ums Verrecken die Umsätze erzeugen müssen, welche der Publisher benötigt, um wirtschaftlich bestehen zu können.

Man weiß aber nicht, welche von den 10 Spielen die beiden Auserwählten sein werden, da der Geschmack der Kundschaft extrem wechselhaft ist. Was letztes Jahr gekauft wurde, muss nicht unbedingt nächstes Jahr gekauft werden. Und da vor allem aufwendige AAA-Spiele lange Entwicklungszyklen haben, kann es passieren, dass in der Zwischenzeit sich der Geschmack zu sehr geändert hat und beim Release keine Sau mehr das Spiel haben will. Die Computerspielbranche wird auch gerne als "volatil" bezeichnet. Erfolg und Mißerfolg liegen hier sehr viel näher beisammen als in anderen Branchen. Umsätze sind kaum planbar.

Also wird man nervös. Sehr, sehr nervös! Vor allem angesichts der immer heftiger steigenden Summen, die notwendig sind, um heute ein Mainstream-Spiel für die aktuellen Konsolen-Generationen zu produzieren.

Nun versucht man mit allen Mitteln sicherzustellen, dass zum Releasezeitpunkt möglichst viele Leute a) vom Spiel gehört haben und b) natürlich nur möglichst viel "GUTES" gehört haben. Zwar wird das Spiel deswegen nicht automatisch ein Verkaufserfolg, aber zumindest hat der Publisher das Gefühl, alles in seiner Macht stehende getan zu haben.

Natürlich könnte man jetzt einfach hingegen und sagen: "Stellt Euch nicht so an und sorgt lieber dafür, dass ein Spiel bugfrei und gut ausbalanciert releast wird!"

Hmmm, natürlich (wie immer) leichter gesagt als getan. Ein Publisher kann jedoch nicht unbegrenzt Geldmittel in nur einen einzigen Titel stecken. Das Risiko ist zu VIEL hoch, dass hier nur Abermillionen in einen Flop gesteckt werden. Siehe zB. "Spellforce 2" oder "Beyond Good & Evil". Zwei qualitativ sehr, sehr gute Spiele. Die aber kaum jemand gekauft hat. Vor allem bei Spellforce 2 wurde mit großem Aufwand Bug-Fixing betrieben. Es wurde sogar eine eigene, neue Engine vewendet und nicht mehr auf die Massive-Technologie gesetzt. Noch mehr Aufwand! Ergebnis? Spellforce 2 war kommerziell betrachtet alles andere als ein großer Erfolg. Das Spiel wurde schnell im Preis gesenkt, als Budget-Titel vermarktet und hat somit Klowood beinahe das finanzielle Genick gebrochen. Übrigens mit ein Grund, warum Gothic 3 in dem miserablen Zustand auf den Markt geworfen wurden. Klowood hat DRINGENST die Einnahmen benötigt, weil Spellforce 2 nicht die Summen eingespielt hat, die vorab geschätzt wurden.

Sprich, es wird im Grunde von Jahr zu Jahr schwieriger für die Publisher (vor allem, wenn sie nicht EA oder Activision heissen) die enormen Investitionen in entsprechende Umsätze zu verwandeln. Die Kosten explodieren, da die immer aufwendigere Technik einen immer größeren Produktionsaufwand verursacht. Das Risiko dieses Geschäftsumfeldes, die Wechselhaftigkeit des Kundengeschmacks bleibt aber immer gleich. Ergo werden die Publisher immer nervöser und reagieren immer heftiger, wenn die für sie sehr notwendige und wichtige Marketing- und Hypemaschinerie ins Stocken gerät.

Doch ... bevor hier das große Erbarmen ausbricht und erste Spendensammlungen gestartet werden, sei nur eines gesagt: Es braucht keine gigantischen Medienkonzerne, um sehr gute und spassige Spiele zu machen. Publisher haben kein verbrieftes Recht auf Umsätze, nur weil die Produktion heutiger Mainstream-Spiele so teuer geworden ist. Das ist nicht mein Problem, das ist grundsätzlich NICHT das Problem der Kundschaft. Ich gebe nur Geld für Spiele aus, die es mir wert sind. Und wenn von den großen Publishern keiner in der Lage ist, mir solche Spiele anzubieten, dann sehen diese Firmen mein Geld nicht mehr.

Daher, trotz allem Verständnisses für die Manipulationsversuche der Publisher ...

Ich kaufe dennoch keine Spiele aus Mitleid :)