Sonntag, 6. Dezember 2009

Emotionen und Wirtschaftswachstum

Nachdem ich gestern willenlos der schnöden Geld-Aus-Dem-Fenster-Werferei huldigte, fragte ich mich schon, ob das nächstes Jahr so weitergehen soll. Werde ich, wenn ich mir schon ein Spiel zum Vollpreis kaufe, immer zur Special Uber Collectors BuyMeQuick Edition greifen?

*kurz innehalt*

Es stehen hier im Regal der Special Editions Stücke Vier. Gut, viereinhalb. Prinzipiell muss ich die SE zu Siedler 5 wohl dazu zählen, auch wenn die Hälfte des Inhaltes fehlt. Faktisch zählt sie nicht, da man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut. Als vollwertige SE's stehen hier:

· Diablo 2 Special Edition
· Warcraft 3 Special Edition
· Age of Mythology Special Edition
· The Witcher Enhanced Edition

Vier mehr oder minder große Schachteln. Mit dem schwarzen Warcraft-Brickett (33x27x7 cm) könnte man Orkschädel spalten, so stabil und solide ist der fette Schuber. Der Karton der AoM-Verpackung besteht zwar nur aus dem üblich-dünnen Faltgebruzzel, entschädigt dafür aber umso mehr durch seinen reichhaltigen Inhalt. Und die Diablo2-Verpackung erinnert wehmütig an die Zeiten, in denen PC-Schachteln zwar erheblich mehr Regalplatz einnahmen, Klapp-Cover mit aufwendigem Hochdruck und schicke Extras aber zur STANDARD-Ausstattung eines Spieles zählten. Die Witcher-EE kommt zwar im mickrigen DVD-Format daher, besticht auch mehr durch innere Werte als durch äusserlichen Schnickschnack.

Vier Special Editions, die ich mit Freuden mein Eigen nenne. Vier Special Editions, die den Sammlertrieb befriedigen. Vier Special Editions, von denen nur eine mit dem vollen Kaufpreis den Besitzer gewechselt hat, alle anderen fischte ich für einen Bruchteil des ursprünglichen Kaufpreises im Laufe der Jahre aus der Elektrobucht. Selbst "damals", als ich konsum- und sammlerwütig Spiele dutzenderweise im Monat erstanden habe, selbst zu dieser Zeit hatte ich all diese aufwendigen Sonderversion zwar beim Händler bewundert und den einen oder anderen Karton auch in den Hänen gehabt, doch gekauft? Angesichts der Preise wurde die einfache Rechnung aufgemacht, wieviel Spiele ich für den Preis einer einzigen SE erstehen kann und welche Art Sammler ich bin? Einer, der sich stundenlang am Anblick einer schönen Verpackung und ihres Inhaltes ergötzen kann? Oder einer, der möglichst viele Spiele haben muss?

Nun, ich war, was Spiele betrifft, kein Gourmet, sondern ein Gourmand, ein Spielefresser. Sprich, als die Umsatzmaximierer bei den Publishern und den Händlern herausfanden, dass man locker die Rendite erhöhen kann, wenn man statt 10 Euro-Kartons mit teuer zu produzierendem Inhalt besser 30 DVD-Packungen mit dünnsten "Handbüchern" in die Regale stellt, weil der Kunde trotzdem zugreift ... habe ich zu denen gehört, die trotzdem zugegriffen haben, weil der Spiele-Gourmand in mir nun mehr Titel ins Regal stellen konnte. Als sich im Zuge der Zeit herausstellte, dass man mit "Special Editions" den Leuten locker-lässig extra Geld abknöpfen kann und es fast kein Spiel mehr ohne Sammler-Edition gab ... sprang ich nicht auf diesen Zug auf, sondern sah zu, dass ich weiterhin möglichst viel Spiele-Bang für meinen Buck bekam.

Heute nehme ich mir etwas mehr Zeit für ein Spiel, brettere nicht haltlos durch die Level, weil ich in der Warteschlange noch siebzehn andere Titel habe, die zumindest angezockt werden müssen, bis im nächsten Monat der langersehnte Personal Hype-Titel erscheint. Sammler-Editionen bleiben trotzdem links liegen. Zum einen, weil es mittlerweile so gut wie keine AAA-Spiele mehr gibt, die mich zum Vollpreis-Kauf anregen. Zum anderen, weil ein Indie-Entwickler gar nicht über die Ressourcen verfügt, um nennenswerte Special Editions mit haufenweise Gimmicks anzufertigen und zu vertreiben. Und zum dritten, weil es mir immer noch in erster Linie um das SPIEL geht und die Verpackung nur dazu dienen soll, den Datenträger vor Umweltunbillen zu schützen. Auch wenn ich immer noch der festen Überzeugung bin, dass man sich als Anbieter bemühen muss, dem potentiellen Käufer etwas Wertiges und Nachhaltiges anzubieten, damit dieser zum Vollpreis zuschlägt und nicht wartet, bis der Titel Budget-Regionen erreicht oder sich gar mit dem Scene-Release aus dem Netz begnügt ... ich zähle nicht zu diesen Personen, die man mit BlingBling, Glasperlen und billigem Schnaps betören kann. Ich zahle für das Spiel, nicht für das Drumherum. Zumindest mich erreicht man mit Special Editions normalerweise nicht.

Warum dann aber 90 Tacken für die Drakensang-Prequel-SE?

Die berühmte Ausnahme von der Regel. Und eine gehörige Portion Eitelkeit! MEIN Name steht auf der Packung, MEIN Name erscheint im Spiel. Ich bin mir zwar sicher, dass sich in Windeseile Möglichkeiten finden werden, den eigenen Namen nachträglich ins Spiel zu hacken, aber das stört mich nicht. Denn Drakensang hat mich letztes Jahr berührt, mein Herz berührt, meine Seele berührt. Ich war mit einem Schlag nicht mehr alter, distanzierter Sack und auch nicht mehr der QA-Guy, der auf jedes Fehlerchen mit dem spitzen Finger zeigt. Ich bin durch ganz Karlsruhe und eine Woche später durch ganz Stuttgart getigert, um noch (zusätzlich!) eine Drakensang-SE zu ergattern. Ich habe jeden schmierigen Internet-Shop belästigt und habe angesichts der dreistelligen Preise, die man im SecondHand-Segment plötzlich verlangte, verärgert in die Tischkante gebissen. Diesmal nicht. Diesmal gehöre ich zu den glücklichen Irren, die für Plastik-Tand sogar vorbesteller-mäßig das Konto plündern.

Werde ich also nächstes oder übernächstes Jahr oder irgendwann später erneut auf die BlitzBlendVorgauckel-Welt einer geschickten Vermarktung hereinfallen?

Es kommt, wie immer, auf das Spiel an. Nie auf die Verpackung. Der Umstand, dass ich bereit bin für Spiel A gaaaanz tief in die Tasche zu greifen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich bereit wäre dies bei Spiel B ebenso zu tun, auch wenn beiderlei Zusatzinhalte von Umfang, Art und Qualität ähnlich wären, auch wenn Spiel B sogar im selben Genre angesiedelt wäre.

Wäre ich Publisher, ich würde Kunden wie mich hassen! :)