Freitag, 15. Februar 2008

Chancen nutzen

Vorab sei gesagt, dass dieser Beitrag nicht so viel mit Spielen zu tun hat, sondern eher allgemeiner Natur ist und Dinge behandelt, die mir grundsätzlich sehr am Herzen liegen.

Es ist kein Geheimnis, dass ich, obwohl ich früher hauptberuflich mein Geld mit Computerspielen verdient habe und dies teilweise immer noch tue, dem Thema "Kopien und Tauschbörsen" sehr aufgeschlossen gegenüber stehe.

Ich habe früher als Schüler mit meinen Schulkameraden tonnenweise Kassettenaufnahmen getauscht. Wir haben "Geschenke"-Pläne aufgestellt, damit alle Mitglieder dieses Tauschringes zu Weihnachten oder Geburtstag sich ja keine LPs doppelt wünschten, um den maximalen Geschenke-Output zu bekommen. Der C64 und die Commodore PET-Rechner des Informatikraumes wurden (natürlich) nur mit Kopien und selber abgetippten Programmlistings gefüttert. Später, als Student, fuhr man mit einem Bierkasten und Schachteln voller Leer- und gefüllter Disketten zu Kopier-Aktionen bei gleichgesinnten Spiele-Nerds. Die Eigenverwaltung ganzer Studentenwohnheime basierte auf x-fach kopierten Word- und Excel-Datenträgern. Kopieren war etwas ganz normales, war Alltag. Was weder die Software-Branche im Allgemeinen, noch die Spiele-Industrie im Speziellen davon abgehalten hat, zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor mit Milliarden-Umsätzen heranzuwachsen.

Heute jedoch, heute ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Tat, Schaden und Strafmaß so derart aus den Fugen geraten, dass man mitunter den Eindruck gewinnen könnte, mit schwerer Körperverletzung leichter davon zu kommen, als mit dem simplen Kopieren einiger MP3-Dateien. Hysterie bestimmt die Debatte. Propaganda von allen (!) Seiten überdeckt jeden Versuch sachlich zu bleiben, denn weder ist jede Kopie ein entgangener Kauf, noch muss alles frei sein. Kreative sollen natürlich die Möglichkeit haben, von ihren Erzeugnissen leben zu können. In dieser erhitzten Atmosphäre aus dreister Lüge und maßloser Übertreibung ist es sehr schwer mit Fakten zu argumentieren. Vor allem, weil es kaum Fakten gibt :)

Ich beschäftige mich jetzt seit etwa fünf Jahren mit dem Thema P2P, Tauschbörsen und Nutzerverhalten. Ich habe mir vor einer ganzen Weile den Spass gemacht, die Anzahl von Seeds mit den Chartplatzierungen ausgewählter Titel zu vergleichen, weil ich einer Ahnung nachgehen wollte. Sonderlich akurat war die Unterschung nicht, eher ein einfacher Quickhack eines interessierten Laien. Doch sie hat genügt, um damals eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen Verkaufscharts und Seed-Anzahl festzustellen. Sprich, was beliebt ist, wird auch in entsprechenden Stückzahlen verkauft. Genaue, wissenschaftlich wasserdichte Untersuchungen sind aber mittlerweile kaum noch möglich, weil man Seiten- und Serverbetreiber, die Nutzer, generell das komplette Thema in einem Ausmaß kriminalisiert hat, dass man kaum solides, valides Zahlenmaterial beschaffen kann.

Daten und Fakten findet man daher aktuell hier und hier, bei denjenigen, die manche Rechteverwurster am liebsten für Jahrzehnte in den Knast stecken würden.

Erstaunlicherweise werden fast die Hälfte aller Bittorrent-Downloads (also NICHT die Dateigröße, sondern die Downloads der BT-Dateien) von TV-Serien eingenommen. Spiele erreichen übrigens nicht einmal 10% der Anteile. Ich höre nun aber von TV-Studios, Schauspielern und Produzenten keine bitteren Klagen. Hier versucht man doch tatsächlich, sich neuen Dingen mit offenem Blick zu nähern und neue Chancen zu nutzen, anstatt in einem vergeblichen Versuch das Rad der Zeit in seinem Lauf aufzuhalten, eine unheilige Allianz mit politischen Überwachungs- und Kontrollfanatikern einzugehen, die NATÜRLICH gerne den Wunsch so manchen Rechteverwerters nachkommen, das Netz nach mißliebigen Dingen abzusuchen und zu filtern. Einem Filter ist es nämlich egal, ob er aktuelle Musikalben filtert oder verhindert, dass bestimmte politische Aussagen über das Internet verbreitet werden können. Vom Kollateralschaden, den eine fehlerhafte Technik anrichten kann, wenn zB. Mailinglisten und/oder Seiten zu Brustkrebs und Krebsfürsorge gesperrt werden, weil dort das unsittliche Wort "Brust" auftaucht, ganz abgesehen.

Chancen nutzen! Positiv denken! Menschen dazu bringen, FREIWILLIG (!) Geld auszugeben, weil sie das Gefühl haben, den Schöpfer eine Serie, eines Spieles belohnen (!) zu müssen.

Die kommenden Jahre werden zeigen, welcher Weg letztendlich eingeschlagen wird. Welcher Weg langfristig besser wäre, darüber braucht man aber kein weiteres Wort verlieren. Eine defensiv-paranoide Bunkermentalität ist es nicht ...