Freitag, 27. November 2009

Sandbox-Gameplay

Geschmäcker sind verschieden.

Eine simple Wahrheit, die immer dann gerne vergessen und verdrängt wird, wenn es darum geht den Gegenüber von der Richtigkeit des eigenen Geschmackes zu überzeugen, so als ob Geschmack ein logisch nachvollziehbares, objektiv messbares "Ding" sei, dessen Eigenschaften jeder erkennen kann, der nur gewillt ist die Augen aufzumachen.

Von daher will ich gar nicht erst in den üblichen Rant über den seit einigen Jahren andauernden Trend "Sandbox-Gameplay" ausbrechen. Wobei, vorausgesetzt ein "Dragon Age: Origins" wird mit seiner recht deutlichen Linearität und striktem Story-Verlauf ein immenser finanzieller Erfolg, sich der Trend auch ruckzuck umkehren kann und dann diejenigen in weinerliches Geheule ausbrechen, die in Oblivion oder GTA die Erfüllung ihrer feuchten Spielerträume sehen.

Heute aber will ich einige Zeilen über das einzige "Sandbox-Gameplay" verlieren, welches in meinen schwachen, maßlos subjektiven Augenlicht bestehen kann.

Wie jeder anständige Junge, oder jedes anständige Mädchen, welches sich schon früh einen feuchten Kehrricht um traditionelle Rollenverteilung geschert hat, so habe auch ich einen nicht unerheblichen Teil meiner Kindheit im Sandkasten verbracht. Ich habe, ja, auch mit Förmchen Sandkuchen gebacken. Der leider nie so gut geschmeckt hat wie der mütterliche Sonntagskuchen, aber dennoch ... ich schweife ab. Deswegen habe ich noch viel öfters mit greuslichem Militärspielzeug zugebracht, welches man äusserst effektvoll in den perfidesten Hügel- und Grabenkrieg schicken konnte, den jene württembergische Kleinstadt jemals auf ihren Kinderspielplätzen erlebt hatte. Hach, grandiose Offensiven. Heldenhafte Kommandoeinsätze. Gnadenloseste Massenangriffe und verzweifelte Verteidiger, die für den Schutz der Heiligen Glasmurmelsammlung ihr letztes Plastikhemd hingaben. Das war so faszinierend, dass ich in blanker Unkenntnis und Ignoranz des historischen Ereignisses gelangweilt abwinkte, als mich mein Vater vom Spielplatz heimholen wollte, damit ich diese tolle neue Fernseh-Serie "Raumschiff Enterprise" anschaue, die damals zum ersten Mal im westdeutschen Drei-Sender-TV (ARD, ZDF, regionales Drittes) lief.

Einige wenige Jahre später, meinen Irrtum bez. Star Trek längst eingesehen habend, war der Sandkasten immer noch ein bevorzugtes Spielgebiet. Förmchen waren nun endgültig und definitiv "out". Aber ganz heftig "in" waren pyrotechnische Effekte, die in Form von China-Krachern und kleinen Judenfürzen (was man als Kind damals so einfach sagte, ohne sich auch nur den HAUCH eines Gedankens zu machen) Leben in die Bude brachten. Denn vorbei waren die Zeiten der klassischen Feldzüge. Urban Warfare hielt Einzug im Sandkasten. Längst kämpften nicht mehr gute Helden gegen böse Wichter, sondern verwahrloste Terrorzellen brachten wahllos Choas und Vernichtung über den versammelten Fuhr- und Figurenpark. Verranzte Revell- und Airfix-Bausätze erlebten einen letzten finalen und bomb-astischen Auftritt. Alte Matchbox-Autos wurden bis zur Dachkante mit Sprengstoff gefüllt und nach langen Kriegsjahren eh schon verkrüppelte Polyuretan-GIs wurden, eng bepackt mit kleinen Cracker-Girlanden, auf den Weg ins Paradies geschickt. Und das Jahrzehnte, bevor in Fetzen gerissene Marktstände und in Schutt und Asche gelegte Gebäude, inklusive all der nur mühsam kaschierten Blutmeere am Boden, alltägliches Bild in den Nachrichten wurden, weil eine Handvoll Arschkrampen der Meinung sind, diese Dinge aus dem zivilisierten und gesitteten Rahmen eines Kinderspielplatzes zu zerren und "Ernst" zu machen.

Doch bevor ich nutzloserweise den Moralischen bekomme, will ich auf ein Spiel hinweisen, welches für mich sehr gut diese Faszination wiedererwecken kann, ohne dass ich mich der Gefahr aussetzen muss, als alter Sack von politisch korrekt denkenden Soccer-Moms wegen Kindesmißbrauch durch die Strassen gehetzt zu werden, nur weil ich dem Sohnemann gezeigt habe, wie er China-Kracher so in sein Spielzeug-Auto packt, dass der Sprengstoff IM Wageninneren explodiert und nicht, weil zu lose verstaut, unnütz herausgeschleudert wird, bevor er sein Dasein aushaucht.



"Blitzkrieg" mit all seinen Addons, Missionpacks und Fortsetzungen und deren Addons und Missionpacks. Kleine, fein nachgebaute Modellpanzer rumpeln durch eine putzige Spielzeuglandschaft. China-Kracher-Artillerie zerpflügt jeden Quadratmeter potentielles Feindgebiet. Plastiksoldaten werfen sich mutig ins Gefecht und robben Stück für Stück dem verschanzten und eingebunkerten Feind näher. Und wenn die Mission gewonnen ist, schweift meine Auge befriedigt über den mit Kratern, Gebäuderesten und Panzerwracks (kleiner Ini-Trick lässt sie nicht ruckzuck verschwinden) übersähten Sandkasten, während ich meine wetvollen Kerntruppen sorgsam wieder im RAM verstaue, damit sie in der nächsten Mission wieder glänzen und den Nachbarsjungen neidisch machen können.



"Sudden Strike", obwohl mit der Auslöser für diese vermaledeite WK2-Massenschwemme der letzten Jahre, obwohl Grundvorraussetzung für die Existenz von "Blitzkrieg", ist nur langweilig. Rahmen ziehen und irgendwie kleine, graue, gesichtslose Einheiten nach vorne schicken. Bäh.

"Blitzkrieg" schafft es dagegen, genau diese mir so vertrauten und geschätzten Größenverhältnisse hinzubekommen. Und dafür zu sorgen, dass man seine Lieblingseinheiten vor allzu grober Behandlung schützt, während man alte, kaputte Dutzendware ohne zu zögern und rein zur Befriedigung voyeristischer Triebe in den Untergang jagt.


Vorher


Nachher

Das einzige "Sandbox-Gameplay", welches ich mir gefallen lasse!