Dienstag, 10. November 2009

The Downward Spiral

"The Downward Spiral" zählt für mich zu den besten Alben von Nine Inch Nails. Darin beschreibt Trent Reznor den seelischen, emotionalen Abstieg eines Menschen bis hin zu dessen Selbstmord. Mag sein, dass ich mich mit dem nun folgenden Vergleich ein wenig "arg" aus dem Fenster lehne, aber angesichts der aktuellen Quartalsergebnisse von EA schoß mir diese Assoziation durchs Hirn.

Denn in der Abwärtspirale befindet sich der einstige Branchenführer Electronic Arts schon seit einer Weile. Aktueller Stand: Noch höherer Verlust als letztes Jahr, zusätzlich zu den 1000 Stellen vom Vorjahr werden nun nochmals 1500 Angestellte entlassen, über ein Dutzend geplante Titel sollen eingestellt werden.

"It's in the game" tönte es noch vor zehn Jahren selbstbewusst aus Trailern und Anzeigen. EA, das war DIE schier unüberwindliche Festung im Spielemarkt. Damals!

Einstige sichere Bänke im Angebotskatalog entpuppen sich als mittelprächtige Ladenhüter, weil der Kunde genug hat. Der Versuch, dem Umsatz neue Flügel zu verleihen, in dem man dem übersättigten Publikum neue IPs und Konzepte anbietet, verlief, wenig verwunderlich, nicht so erfolgreich, wie das für einen Konzern wie EA notwendig wäre. Man erzielt keine Umsätze in der gewohnten Höhe mit Spielen, die nicht dem gängigen Muster entsprechen. Man erzielt aber auch nicht mehr die gewohnten Umsätze mit den Spielen, die dem gängigen Muster entsprechen, weil der Kunde dafür nicht mehr begeistert werden kann. Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen gibt.

Ein Teufelskreis jedoch, dem auch andere Firmen unterworfen sind. Activision schwimmt zwar derzeit auf einer kommerziellen Erfolgswelle, befindet sich jedoch mit den Mega-Franchises "[insert music instrument] Hero" oder "Call of Duty" aber auf dem Scheitelpunkt dieser Welle. Weil der Markt nicht auf Dauer die ständigen Zuwachs(!)raten liefern kann, die für eine Firma dieser Größe erforderlich ist, um die Investoren bei Laune zu halten. Und sind die Investoren dauerhaft verärgert, ziehen sie ihre Anteile ab und einst große Konzerne stürzen in Sekundenschnelle ab, weil sie trotz solidem Tagesgeschäft und sich selbst tragenden Geschäftsmodellen DRINGENST auf die Gelder der Investoren angewiesen sind, um ständig neue Firmen/Konzepte/Ideen kaufen zu können. Firmen dieser Größe leben im Grunde nur noch in der potentiellen Zukunft ihrer Geschäftsprognosen, aus eigener Kraft kann man sich "dort oben" nicht halten.

Ich werde mich zwar hüten, den Zweiten Großen Videospielcrash auszurufen, doch sehe ich am Schicksal von EA die feurige Schrift an der Wand, die von eben diesem zweiten Crash kündet.

Wäre ich CEO eines großen Publisher, was könnte man tun?

Schrumpfen. Kleiner werden. Flexibler werden. Mehr Nischen besetzen, anstatt sich nur auf die jeweils größte Teilmenge zu konzentrieren. Diversifizieren. Sprich, aus den Fehlern der Musikindustrie lernen, die dachte, man könne Musik als Produkt, wie Kühlschränke oder Schraubenzieher, nüchtern am Fließband herstellen und trotzdem weiterhin in Massen verkaufen. Die dachte, man könne den Leuten jeden Scheiss verkaufen, weil sie annahm, die kommerziellen Erfolge bestimmter Superstars und Castings-Bands ließen sich linear und vorhersehbar einfach in die Zukunft extrapolieren. Die dachte, man könne ein hochemotionales Ding wie "Musik" bar jeder Emotion auf maximale Umsatzsteigerung trimmen.

Wäre ich aber tatsächlich CEO eines großen Publishers, ich würde einen Scheissdreck in dieser Hinsicht tun. Ich würde alles tun, um kurzfristige Erfolge zu erzielen, damit ich meine Boni sichern kann und nach mir doch die Sinflut. Würde ich das Ziel verfolgen wollen, die Firma kleiner zu machen, um ihre Existenz dauerhafter zu sichern, ich würde mir selber finanziell MASSIV schaden und würde zudem innerhalb weniger Stunden vom Aufsichtsrat abgesetzt werden, da dieser in der Regel aus Leuten besteht, die noch weniger in der Realität verwurzelt sind als ich.

Von daher ... der Crash wird kommen, muss kommen. Der Crash ist untrennbarer Bestandteil eines Wirtschaftssystems, welches nur ewiges Wachstum kennt, somit aber mit der Wirklichkeit kollidiert, die kein ewiges Wachstum zulässt, so dass ein Crash unabdingbar ist, um vom neuen, niedrigeren Stand aus wieder zu wachsen, um das Heilige Wachstumsmantra nicht aufgeben zu müssen. Sprich, natürlich wird es nach der Abwärtspirale wieder aufwärts gehen ... bis zum Scheitelpunkt, an dem sich wieder alles umkehrt.

Nein, ich habe keine Lösung für dieses "Problem", die das Problem löst, ohne jedoch die Rahmenbedingungen zu ändern. Das einzige, was man hier tun kann, ist klein und flexibel genug zu bleiben, um die Schockwellen auszureiten, welche die dann fallenden einstigen Giganten auslösen.