Montag, 19. Februar 2007

Weh mir, das Ende naht!

Mit dem letzten Geschoss geht Zorkon, die Geisel der Galaxis, in einer Wolke aus Blut, Rüstungsteilen und Innereien endlich zu Boden. Schwer atmend und schweissüberströmt lasse ich den qualmenden Raketenwerfer fallen und recke triumphierend meine Faust gen Himmel! Die Endsequenz beginnt ...

Endlich gelingt es mir den letzten Portalstein einzusetzen. Wild schreiend, als ob er es noch gar nicht fassen kann, dass seine Pläne vereitelt wurden, vergeht der finstere Höllendämon in den gleissenden Energien des Bannzaubers. Grinsend drehe ich mich zu meinen Kampfgefährten um und ernte teils bewundernde, teils spöttische Blicke. Die Endsequenz beginnt ...

Eben überbringt man mir die Nachricht, dass der letzte Widerstand in der gegnerischen Festung gebrochen wurde. Langsam erhebe ich mich und lasse den Blick über das verwüstete Schlachfeld streifen. Wieviele treue Männer heute ihr Leben lassen mussten? All das spielt jedoch keine Rolle. Denn der Thron ist endlich mein! Die Endsequenz beginnt ...

Und (sehr) kurze Zeit später ist die Endsequenz zu Ende, ich starre immer noch fassungslos auf die am Bildschirm hinauf scrollenden Credits und beginne etwas säuerlich zu werden. Das soll es gewesen sein? Hallo? Aber, aber, was ist mit ... und wieso ist der ... und ... hey!

Da haben wir zB. Geheimakte Tunguska. Über etliche Stunden hinweg habe ich mich mit Nina durch die Weltgeschichte geknobelt, nur um mich zum Ende mit einer Handvoll nichtssagender Dialogzeilen abspeisen zu lassen, während die Story immer noch lichtjahregroße Plotholes hat. Da haben wir zB. Prey, dass über Stunden hinweg eine ganz besondere Spielatmosphäre aufbaut, die jedoch zum Schluss mit „Blablabla, Nein Tommy, geh nicht ins Licht! Denn neue Herausforderungen, blablabla ...“ einfach ruckzuck abgewürgt wird. Von den geradezu lächerlichen Endsequenzen bekannter Rollenspiele gar nicht zu reden. Ich denke, jeder wird nach nur kurzem Nachdenken noch eine ganze Reihe zusätzlicher Titel nennen können, bei denen zum Ende hin den Entwickler offenbar jegliche Lust verlassen hat.

Da werden über Stunden hinweg mysteriöse Handlungsfäden, faszinierende Charaktere und prächtige Schauplätze aufgebaut. Gut gemacht und professionell aufbereitet, zieht es den Spieler schnell in den Bann und man beginnt mit und in dieser Welt zu leben. Doch all das spielt plötzlich keine Rolle, wenn der Spieler als Finale eine schnöde Texttafel zu sehen bekommt, auf der er aufgefordert wird, jetzt doch endlich den Multiplayermodus zu beginnen (Dungeon Siege), man hollywood-mäßig nur kurz zur jubelnden Menge winken darf (KotOR) oder der Held nach ein, zwei kurzen Dialogsequenzen in den Sonnenuntergang verschwindet, wahlweise die aktuelle Dame des Herzens oder die treue Schrotflinte an der Seite (unzählige Egoshooter und Actionspiele).

Liebe Entwickler, wenn ihr Euch schon die Mühe macht, eine Story für Euer Spiel zu ersinnen, dann lasst diese Story am Schluss auch vernünftig zu Ende gehen. Denn ich komme mir bei so einem typischen Sonderangebots-Finale nur noch ... auf gut Deutsch ... verarscht vor! Ja, manche Philosophen haben nicht ganz unrecht, wenn sie sagen, dass eigentlich der Weg das Ziel ist. Aber das trifft nur im richtigen Leben, im Real Life zu! In einem Film, in einem Buch, in einem Spiel möchte ich einen Abschluss haben, der mich befriedigt. Das muss nicht ein Happy-End sein. Es muss nur ein Ende sein, dass die Geschichte zufriedenstellend abschliesst. Das mich entweder zufrieden, glücklich oder auch traurig zurücklassen darf.

Wie es im Spielebereich funktionieren kann, zeigt zum Beispiel das Ende von Final Fantasy 6. Für mich persönlich immer noch das schönste Ende, das bewegenste Finale eines Computerspieles, dass ich bis jetzt gesehen habe. Ausführlich wird das weitere Schicksal jedes Charakters beleuchtet, kurze Ausblicke in Zukunft gewährt, herrlich! Oder denkt an Blizzard, deren guter Ruf und kommerzieller Erfolg auch darauf basiert, dass sie ihre Titel mittels fantastischer CGI-Sequenzen nicht nur am Anfang, sondern auch mitten im Spiel aufgepeppt haben. Was habe ich mich zB. mit Kerrigan gefreut, als in der herrlich schaurigen Endsequenz der Zerg-Kampagne meine Horden durch die schmauchenden Ruinen von Aiur strichen. Oder denkt an Halo, als man (zum Glück) nicht den üblichen Obermotz besiegen, sondern in einer Art interaktiven, langen Endsequenz das letzte Rettungsboot erreichen musste, inklusive dramatischer scheinbarer Rettung und tragischem Ende treuer Weg-, bzw. Fluggefährten.

DAS sind Finale, über die man später noch spricht. DAMIT erzeugt man (Achtung, Marketing!!) Neugier bei denen, die es noch nicht gespielt haben. Die auch mal das dramatische Ende erleben wollen und sich dann vielleicht auch das Spiel kaufen. Damit erzeugt man HYPE! Und zwar nicht den üblichen Blitzblendvorgauckel-Hype der Presseabteilung, sondern den wirklichen, richtigen Hype, der Leute dazu bringt auch Wochen oder gar Monate nach Release an die Kassen zu rennen.

Und jetzt das höchst erstaunliche an dieser Art Ende, liebe Schlipsträger, Producer und Zielgruppen-Analysten: Damit verbaut man sich nicht automatisch die Chance auf einen zweiten, dritten oder vierten Teil, wenn ihr denn sorgenvoll an Eure Bilanzen denkt. Nein, wirklich nicht, vertraut mir! Vertraut lieber den kreativen Köpfen in Euren gigantischen Entwicklungsabteilungen, die sehr viel machen könnten, wenn sie denn dürften ... selbst wenn es Episoden-Spiele und Cliffhanger-Enden sein müssen. Auch hier kann man einen befriedigenden Abschluss finden.

Und die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Spielers entspricht nicht automatisch der eines 10-jährigen, hyperaktiven Kindes. Doch, echt jetzt, wir können durchaus über mehrere Minuten hinweg passiv einem bestimmten Handlungsablauf folgen, ohne dass wir gelangweilt den Abbruch-Button malträtieren.

Obwohl das Wort „Ende“ nur vier Buchstaben hat und irgendein schlauer Mensch gesagt hat, daß in der Kürze die Würze liegt .... bitte, bitte ... gebt mir MEHR Schluss und Finale und Ende! Lasst mich nicht nur wenige Sekunden nach Beginn des Credits-Scrollings genervt die De-Installationsroutine anklicken oder die Konsole ausschalten. Gebt mir, wie in einem guten Kinofilm, das Gefühl im Saal sitzenbleiben zu müssen, bis das Licht wieder angeht, weil ich jede Sekunde und jeden Moment dieses Endes auskosten möchte.

Und in diesem Sinne, während im Hintergrund gerade die orchestrale Fassung des End-Songs von FF X-2 verhallt, Koda Kumi ein letztes Mal den Refrain von „1000 no kotoba“ singt und ich selbst nur knapp an der 1000 Wort-Grenze in diesem Text vorbeischlittere ...

The End!