Mittwoch, 13. Juni 2007

Legendär schlecht

Auch wenn ich letztlich darüber sinnierte, wie sehr ich damals von Tomb Raider enttäuscht war, so brennend interessierte es mich, wie denn Tomb Raider Legend ist, welches ja angeblich die Serie wiederbelebt hat. Einen Haufen guter bis sehr guter Reviews liessen vermuten, dass man hier ein nettes Action-Spielchen erwarten durfte. Und so bin ich letzlich eBay-mäßig auf ein günstiges Schnäppchen gestoßen, hatte Glück und konnte Legend für nur eine Handvoll Euro erstehen.

Gestern abend auch die Muße dafür gehabt und losgelegt. Nettes, stylisches Intro. Der Tutorial-Level macht Laune, das Spiel wirkt aus einem Guß, Lara hüpft und klettert und rackert sich formvollendet durch die Gegend. Nach dem ersten Level kann ich nur sagen: Wow! Klasse! Brilliant!

Dann jedoch ...

Dann jedoch ballerere ich mich durch eine öde südamerikanische Kleinstadt gegen öde nicht-südamerikanische Söldner. Jedes drittklassige Actionspiel bekommt das besser hin. Dann erlebe ich eine ziemlich schreckliche Motorrad-Verfolgungssequenz, die so billig, peinlich und gestellt wirkt, als ob 10 Jahre Spieleentwicklung komplett an Crystal Dynamics vorbei gegangen sind. Vielleicht hat man einfach nur die Skriptroutinen aus Tomb Raider 2 mit viel NextGen-Zuckerguß versehen, in der Hoffnung, es merkt niemand.

Dann wieder eine kurze Jump&Run-Einlage, die darunter leidet, dass ein Seil nur dann vom Programm als aktiver Greifgegenstand erkannt wird, wenn Lara von einem ganz bestimmten Pixelbereich aus springt. Nicht zwei Millimeter rechts oder links. Nur exakt von dieser Stelle aus. Erreichbar ist das Seil aber von der ganzen Breite der Plattform. Lara springt jedoch deutlich sichtbar durch (!) das Seil, wenn ich von der falschen Stelle aus springe.

Als nächstes folgt eine Sequenz, die nahezu alles falsch macht, was man in einem Spiel falsch machen kann. Irgendein Monster beginnt Lara zu verfolgen. Was zuerst nach einer reinen Zwischensequenz aussieht, entpuppt sich nach dem dritten Bildschirmtod als interaktive Zwischensequenz, in der man das Geschehen aus dem Blickwinkel des Monsters verfolgt, der Spieler aber dennoch weiterhin Lara steuert.

Unangenehme Erinnerungen an die ätzende und nervtötende Monster_im_See-Sequenz aus Psychonauts werden wach.

Die Gute steht nun vor einem Felsbrocken und rührt sich nicht. Es erscheint ein Symbol, in dem Lara mit erhobenen Pistolen (!) dargestellt wird. Ich malträtiere den Feuer-Button, doch zum einen passiert logischerweise nichts (weil Lara in diesem Spielabschnitt nämlich gar keine Waffen hat), zum anderen erfolgen Bildschirmtod Vier bis Acht. Kurz vor Bildschirmtod Neun drücke ich in meiner Verzweiflung einfach die Vorwärtstaste und ... Lara springt über den Felsbrocken. Hurraaaaa! Es geht kurz weiter. Lara steht wieder vor einem dicken Felsbrocken und ... bleibt diesmal stehen. Bildschirmtod Neun! Es folgen Nummer Zehn bis Dreizehn, bis ich begreife, dass man hier nicht rechts oder links ausweichen kann, sondern die Springen-Taste betätigen muss. Dass der neue Felsen nicht viel höher als der erste Felsen wirkt, Lara also im Grunde auch hier selber darüber hinwegsteigen könnte, trägt nicht gerade dazu bei, den nächsten richtigen Schritt zu erahnen.

Alles aus der Sicht des Monsters. Lara knallt unentwegt rechts und links gegen die Wände, weil die Steuerung in diesem Moment unter aller Sau ist. Ich sehe nicht vernünftig, wohin ich die Spielfigur bewegen muss, bleibe immer wieder irgendwo hängen. Weiter geht es mit Bildschirmtod Vierzehn bis Achtzehn. Dank des überragenden Savegame-Systemes muss ich übrigens nach jedem Bildschirmtod DIE KOMPLETTE SEQUENZ wieder von vorne beginnen.

Nachdem ich die Zwanzig vollgemacht habe, beende ich TR Legend, starte die De-Installationsroutine und frage mich, was zum Teufel all die Journalisten geraucht haben, die diesem Spiel gute bis sehr gute Noten gegeben haben. Wahrscheinlich haben sie alle nach dem Tutorial-Level aufgehört und den Rest des Artikels aus Pressematerial von Eidos zusammengeschustert. Wäre übrigens nicht das erste Mal, dass Reviews auf diese Weise entstehen.

Es kann natürlich auch sein, dass ich, meine Feinmotorik, mein räumliches Wahrnehmungsvermögen und meine ganz subjektive Vorstellung davon, was ein Spiel spassig und unterhaltsam macht, zu hundert Prozent mit allem inkompatibel ist, was den Namen "Tomb Raider" trägt. Es mag ja durchaus Leute geben, die an sowas ihren Spass haben, gar keine Frage. Es gibt ja auch Leute, die sich gerne heißes Wachs auf ihre Genitialen kippen.

Jetzt kann ich mich aber unbeschwert X-Men Legends 2 widmen. Obwohl ich auch dieses Spiel beim ersten Mal in hohen Bogen aus dem Fenster geworfen habe. Wer weiß? Vielleicht stolpere ich in zwei Jahren nochmal über Tomb Raider und habe plötzlich ne Menge Spass damit?

Ist ja nur ein Spiel ... :)